40 Prozent der Hausärzte im Kreis älter als 60 Jahre
Die 3. Gesundheitskonferenz der Gesundheitsregion Grafschaft Bentheim stand im Kloster Frenswegen im Zeichen des drohenden Ärztemangels und der technologischen Veränderungen der Branche. Zu den Gästen zählte auch Gesundheitsministerin Cornelia Rundt.
Von Sebastian Hamel
NORDHORN. Seit dem 1. Juli 2015 ist die Grafschaft eine von 35 anerkannten Gesundheitsregionen in Niedersachsen und damit Bestandteil eines vom Land geförderten Programms, das die regionalen Akteure der Branche besser vernetzen soll. In einer Steuerungsgruppe unter Vorsitz von Landrat Friedrich Kethorn und mehreren Arbeitsgruppen erarbeiten die Mitwirkenden Projekte, um eine nachhaltige und effiziente Versorgung zu gewährleisten. Eine der Aktivitäten ist die jährliche Konferenz, die dem Austausch und der Information dient.
Dazu konnten die Verantwortlichen um Gesundheitsregion- Leiterin Annegret Hölscher am Mittwoch zahlreiche Gäste im Kloster begrüßen. Kethorn lobte das Engagement der Mitstreiter in der Grafschaft und bedauerte zugleich, dass bislang keines der eingereichten Projekte für eine gezielte Bezuschussung ausgewählt wurde. Er drückte daher der niedersächsischen Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) einen üppigen Umschlag mit den gesammelten Ideen in die Hand.
Rundt nahm das Päckchen entgegen, ermutigte die Grafschafter zum Weitermachen und sagte optimistisch: „Gute Projekte werden von der Jury gesehen.“ Sie überreichte im Gegenzug den diesjährigen Förderbescheid für die Gesundheitsregion in Höhe von 5000 Euro.
Projektideen für Rundt
Insgesamt liegt das Budget des Programms bei einer Million Euro, von denen 600.000 Euro aus Landesmitteln und 400.000 Euro von Kooperationspartnern – vor allem Krankenkassen – stammen.
Die Frage der hausärztlichen Versorgung, die bei der Konferenz im Mittelpunkt stand, sei ein bundesweites Thema, sagte die Ministerin, und verwies auf den „Masterplan Medizinstudium 2020“ von Bund und Ländern. Bestandteil ist die Möglichkeit, zehn Prozent der Studienplätze an jene Bewerber zu vergeben, die sich zu einer anschließenden Tätigkeit als Landarzt verpflichten.
Rundt betonte auch: Nie habe es mehr niedergelassene Ärzte gegeben, eine Unterversorgung hierzulande gebe es nicht – so zumindest die Statistik. Sie wisse aber, dass es in der Praxis anders aussieht. In den Regionen konzentrierten sich die Angebote auf die Zentren, während die Ränder unterversorgt seien. Mit der Kassenärztlichen Vereinigung gebe es Gespräche, die Zulassungsbereiche kleiner zu strukturieren für verlässlichere Aussagen. Als Gast von der Universität Oldenburg, wo es seit 2012 eine medizinische Fakultät gibt, sprach Prof. Dr. Michael Freitag, Professor für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Versorgungsforschung.
Wirtschaftliches Risiko
Er berichtete, dass etwa zehn Prozent der Studenten sich für die Fachrichtung Allgemeinmedizin entschieden: „Eigentlich müssten es 20 Prozent sein.“ Bedenken seien etwa ein wirtschaftliches Risiko und vermeintlich zu wenig Abwechslung. An der Universität Oldenburg, die mit der Uni Groningen kooperiert, sollen die Studenten daher frühzeitig praktische Erfahrungen sammeln und fundierte Einblicke gewinnen. Eine Zusammenarbeit besteht mit 120 Lehrpraxen in Nordwestdeutschland für Hospitationen und Praktika.
Zu den neuen Technologien berichtete Dr. Maik Plischke, Vorsitzender der Geschäftsführung des Innovationszentrums Niedersachsen, von den Möglichkeiten altersgerechter Assistenzsysteme und sogenannter E-Health-Anwendungen. Letztere umfassen das ganze Feld digital gestützter Prozesse im Gesundheitswesen.
Innovationen gefragt
Plischke ist überzeugt, dass mithilfe innovativer Lösungen die Versorgung der Patienten sowie die Arbeitsbedingungen von Medizinern, Apothekern und Pflegekräften verbessert werden können. Bislang werde das in Deutschland noch relativ wenig genutzt. Es müssten mehrere Akteure – auch Behörden und Versicherungen – ins Boot geholt und neue Geschäftsmodelle entwickelt. Digitale Unterstützungsoptionen für das Leben im ländlichen Raum erforscht etwa das Projekt „Dorfgemeinschaft 2.0“, das von Dr. Arno Schumacher, Prof. Dr. Ingmar Ickerott und Thomas Nerlinger vorgestellt wurde und seit 2015 ein modellhaftes Versorgungskonzept in der Region entwickelt (die GN berichteten).
Das Thema „Unsere Gesundheitsregion – Chancen für die Grafschaft“ wurde auch in einer Podiumsdiskussion erörtert, an der sich neben Landrat und Ministerin auch Horst Hillmer (Regionaldirektor AOK), Dr. Schumacher, Dr. Markus Kirschner und Dr. Sigrid Leferink beteiligten. Die Vorsitzende des Grafschafter Ärztenetzes betonte: 40 Prozent der Hausärzte in der Grafschaft sind älter als 60 Jahre. Sie berichtete von verschiedenen Aktivitäten, die junge Mediziner in die Region locken sollen. Schumacher zeigte sich überzeugt: „Es braucht Anreize und Förderungen, damit junge Menschen Mediziner werden und Ärzte auch Hausärzte werden.“
■ Auf GN-Online gibt es ein Video zu diesem Thema. Einfach Online-ID @2029 im Suchfeld eingeben.
Die Diskussionsrunde mit Ministerin Rundt (rechts) und Landrat Kethorn (links daneben) erörterte bei der 3. Gesundheitskonferenz im Kloster unter anderem den drohenden Ärztemangel in der Region.
Foto: Wohlrab